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Sagen & Geschichten aus München

Münchner Sagen & Geschichten

Vom Herzog Christoph-Stein und Legende vom St. Christopherus

Trautmann - Die Alt-Münchner Wahr- und Denkzeichen (Seite 57)


Christoph-Stein - Residenz MünchenDer berühmte, schwarze Stein liegt in der Residenz im Durchgang zum Brunnenhof, über ihm sind drei Nägel eingeschlagen, und auf einer großen steinernen Tafel stehen alte Reime eingegraben.
Lauten:
Als nach Christi Geburt gezehlt war
Vierzechen hundert neunzig Jar
Hat Herßog Christoph hochgeborn
Ein Held auß Bayern auserkorn
Den Stein gehebt von freyer Erdt
Und weit geworfen ohn Geferdt,
Der wiegt drey hundert vier und sechzig Pfund,
Des gibt der Stain und Schrift Urkundt,
Drey Nägel stecken hie vor Augen,
Die mag ein jeder Springer schauen,
Der höchste zwölf Schuech vun der Erdt,
Den Herßog Christoph Ehrenwerth
Mit seinem Fueß herab thet schlagen.
Kunrath luef bis zum ander' Nagel,
Wol vo' der Erdt zehnthalb schuech,
Neunthalben Philipp Springer luef
Zum dritten Nagel an der Wandt,
Wer höher springt, wird auch bekannt.

So es sich nun bei der Sache nur um einen Wurf und um das höher Springen allein gehandelt hätte, wäre das Ganze nichts, als ein gewöhnliches Denkzeichen. Das Ganze ist aber schon ein rechtes Wahrzeichen, weil da von Güte und Herablassung eines fürstlichen Helden Zeugschaft gegeben wird, nebenbei von unterdrückter Liebe seines eigenen Herzens. In Kurzem der edle Held und Herzog hat seine Leibesgewalt und Behendigkeit zum Glück seines lieben, treuen Dieners Philipp Springer angewendet und ihm das durch die Hand der schönen Bildschnitzerstochter Gertraud zugebracht. Wer die ganze Sache ganz genau lesen will — sonderlich, wie der Herzog in der Wieskapelle mit der schönen Gertraud zusammen traf, dann wegen des dicken Rathsherrn Florian Hundertpfund, der in die schöne Maid verliebt war, wie der Philipp Springer, der sie von früher her kannte und liebte, bei ihrem Vater einkehrte, wie dann noch der reiche, fremde Kaufherr Kunrath dazu kam, der die Gertraud auch gerne zum Altar geführt hätte, und was sich da weiters Alles ergab, bis es auf die Probe ankam, wer denselben Stein am Weitesten würfe und am Höchsten springe - der kann das wieder in den Abenteuern Herzogs Christoph von Bayern klar und deutlich und vergnüglich finden.

Wegen dieses Steines ist aber noch etwas zu bemerken.

Der bewußte Wurf und Sprung geschahen nicht etwa an der Stelle, wo Stein und Tafel nebst Nägeln jeßt befindlich sind, sondern in der alten Ludwigsburg, oder dem alten Hof – links an der langen Wand, wenn man von der Burggasse hereinkömmt. Dort war Stein und Tafel, bis sie, zur Zeit man den schönen Grottenhof herstellte, gerade über davon, in die, jetzt alte, Residenz versetzte.

Was das Uebrige und namentlich die Gefangenschaft des ritterlichen Herzogs betrifft, welche er durch seinen Bruder Albrecht längere Zeit zu erdulden hatte, so war der in's Spiel kommende, runde und mit Epheu reich umwachsene Thurm bis in unsere Zeit gerade über vom unteren Ende des Hofgartens zu sehen, und es ragte derselbe gar stattlich vom Wassergraben unten empor. Seit dem die Residenz auf dieser ganzen Seite, sonderlich von Außen, neu gebaut, und dann jener Graben ausgefüllt und Alles eingebnet wurde, steht zwar der Thurm nicht mehr äußerlich sichtbar vor Augen. Aber wer vom letzten Hof aus in die treffende Ecke der Residenz geht, befindet sich dafür im Thurm selbst. Denn er wurde zur Erinnerung dem Gemäuer einverleibt, und im Verhältniß des außerhalb erhöhten Erdbodens befindet man sich gerade in dem nehmIichen, oberen Raum, in welchem der Herzog gefangen saß.

Was es mit dem Schwert desselben in unserer Zeit sei, wird sich an einem anderen Orte zeigen.

Weil nun der ruhmwürdig, abenteuerliche Fürst den Namen Christoph trug, so ward dieser Name, wie schon früher oft, so später noch mehr gebraucht und geehrt, und es kam damit der ursprüngliche Namens-Patron, der heilige Christopherus zu stets erhöhtem Ansehen.

Weil es nun gar Manche geben mag, welchen die Kirchenlegende von diesem heiligen Manne entweder gar nicht oder nicht in der echt alten Weise bekannt ist, so wird es Solchen nicht ganz unlieb sein, wenn sie dieselbe hier aufgezeichnet finden.

Sie lautet aber, kindlich getreu, wie folgt:
,,Es war in Canaan Einer des Namens Opherus, der war von seinen Eltern aus ein Heide, überaus groß, breit und mächtig und hielt nichts auf schöne Gewänder, so mächtig und reich auch sein Vater war. Vielmehr ging er ganz verwahrlost und in so weit möglich in Gotts gegebener Gestalt.
Wie er nun in seiner Stärke und Größe stets mehr heranwuchs, war er auf selbige Größe, Stärke und Ausdauer so stolz, daß er keinem Anderen, als dem mächtigsten Herrn dienen wollte. Deshalb ließ er sich's eifrig angelegen sein, zu erfragen, wo der „ gewaltigste König lebe."

Da wies ihn Einer an einen stolzen König weitab von Canaan. Der war fürwahr so mächtig und gewaltig über Land und Leute, daß dem Opherus kein Anderer größer schien, weshalb er sich zu seinem Dienst erbot.

Da kam einmal ein Spielmann. Der sang und er zählte vor dem König von Eitelkeit, der Lust der Welt und viel Anderem, bavon sich der Mensch zu wahren habe. Dabei nannte er oftermalen den ,,bösen Feind,“ und so oft er ihn nannte, schlug der König ein Kreuz.

Da nun der Spielmann von hinnen war, fragte der Opherus den König, was er mit dem Strich auf Stirne, Mund und Brust gemeint habe. Sagte der König: „Damit meinte ich so viel, daß ich mich vor Dem segnete, dessen Name genannt wurde. Das sollst du auch thun inskünftig, denn dann flieht er, wann er etwa unsichtbar da wäre. Wenn Einer aber das Zeichen nicht macht, gewinnt er leicht Gewalt über die Seele und bringt sie in's Verderben."

,,So“, sagte der Opherus, „du fürchtest dich also vor ihm? Also ist seine Kraft größer, als die deine. Sint ich das weiß, mag ich dir nicht mehr zum Knecht sein, denn ich diene nur dem Mächtigsten!"

Darauf verließ er den König und fragte aller Orte nach dem „bösen Feind." Den kannten Alle von Namen und erschracken, wo er aber sei, das konnte ihm Niemand sagen.

Da kam er eines Tages in eine Wildniß und sah eine Ritterschaar daherkommen, und vor ihr ritt Einer in schwarzem Rüstzeug, der war fast ernst und schaurig düster. Als er aber den Opherus erblickte, lächelte er, ritt von den Seinen weg und auf ihn zu und sagte: ,,Willkommen! Du bist der gewaltige Opherus, und ich weiß wohl, was du suchst und wen. Bleib du nur und diene mir, denn ich bin der mächtigste König der Welt, der böse Feind."

Da sagte der Opherus: „ Da du Alles von mir weißt und der böse Feind bist, will ich dir dienen.“ Und sie zogen selbander fort und kamen in eine Höhle und unter den Erdboden hinab. Da war Alles finster und öde, und des Opherus neuer Herr sagte, er wolle ihm seine Macht zeigen, und was er verlange, das sollte gescheben.

Sagte der Opherus: ,So mach', daß der Boden da grün sei und aus dem Dunkel Licht werde."

Auf dieß war da mit einemmal die lustsamste Wiese zu sehen und auf der war ein schöner Garten mit Bäumen, die voll Früchten hingen, auch wandelten ganz seltsame Thiere auf und nieder und sonderlich bunte Vögel flogen herum, zu oberst aber war's wie der lichte, blaue Himmel.

Sagte der Opberus: Jetzt will ich aber, daß das alles zu Grund geh, laß du ein Wetter kommen!"

Und es stund nicht lange an, so kamen Wolken daher und Blitz und Donner und Hagel, und da ward Alles zernichtet, und es kam wieder die Finsterniß, wie zuvor.

Auf dieß und viel Anderes sah der Opherus, er sei beim mächtigsten Herren und König, zog mit ihm heraus aus der Erde, blieb bei ihm und that Alles, was ihm befohlen ward, ohne daß er fragte, weshalb.
Nun kamen sie einst selbander auf ein Sträßlein; unfern davon war ein Kreuz aufgerichtet, und als des Opherus Herr das wahrnahm, schlug er einen anderen Weg ein.

Da fragte der Opherus, warum er abseits reite?
Sagte der Andere: „ Da steht ein Kreuz am Weg, und wo ich das sehe, mag ich nicht hin.

“Fragte der Opherus: ,,Bedeutet's denn etwas?"
Sagte der böse Feind: ,,Ei sicher. Das gemahnt mich an Einen, des Namens Jesu Christ, den ganz allein kann ich nicht ertragen."

,,So", sagte der Opherus, ,,ei wenn du vor seinen Zeichen fliehst, ist er auch mächtiger, als du — ich will dir nicht mehr dienen, sondern ihm, er mag mir auferlegen, was ihm bedünkt!"

Drauf zog er vom bösen Feind weg und fragte aller Orte nach dem mächtigsten König Jesus Christus.
Da sagten die Einen, er sei überall, und die Anderen sagten, er sei im Himmel , aber Alle priesen seine Milde und Güte, obschon er große Opfer verlange.

All aus dem ward der Opherus nicht klug und suchte immer weiter, bis er zu einem Einsiedel kam, den sah er vor einem Kreuz knieen, dachte da, wenn Einer, kann mir Der da Bescheid geben, fragte, wo der mächtige König Jesu Christ zu finden sei, weil er ihm dienen wolle, und gab Bericht von Allem, was er gehört habe.

Sagte der Einsiedel: „Was du hörtest, ist auch wahr. Er ist im Himmel und doch überall auf Erden, er ist aller Dinge Herr und der König aller Könige. Wer ihm aber dienen will , der muß gut fasten und beten, sein sündiges Leben abtödten und muß voll größter Demuth sein, also wohl gegen Große, als Kleine."

Sagte der Opherus drauf: Ich will nicht beten und fasten, was hab' ich und was hat er davon? Von der Sünde weiß ich nichts, aber mit der Demuth will ich's versuchen also was willst du, daß ich zuerst thu'? "

Sagte der Einsiedel: ,,Dort ist ein großes Wasser, und es geht kein Steg darüber. Wenn es dir mit deiner Demuth Ernst ist, so stell' du dich Tag und Nacht hin, oder bau' dir ein Obdach - und wann Einer kommt, groß oder klein, so murr nicht und trage ihn hinüber. Das thu' deinem Herrn und König zu lieb und siehst du ihn nie in deinem Leben, wirst du ihn nach deinem Tod sehen."

Sagte der Opberus: ,,Da ist dann noch lang hin, und etwa seh' ich ihn dann auch nicht!"

Entgegnete der Einsiedel: „Du solst nicht zweifeln. Halte dich nur tapfer, dann komm' ich und will dich taufen, und wann immer du stirbst, fahrt deine See zum Himmel und dort wirst du deines Herrn ansichtig."

Darauf ging der liebe Herr Opherus von dannen, war fleißig bei Tag und Nacht, trug die Menschen über's Wasser, wartete auf des Einsiedels Ankunft, daß er ihn taufe, und weil er noch immer nicht kam, ward Sorge in ihm wach, er habe seinen Dienst nicht recht gethan, werde seinen Herrn vielleicht nie sehen, nicht hier und nicht nach seinem Tode, und dachte zuletzt, der Einsiedel treibe sein Spiel mit ihm.

Da hörte er einst in der Nacht eine Stimme, gleich der eines Kindes, und die rief: ,,Du, Ophere, erheb´ dich!" Auf dieß erhob sich der liebe Herr Opherus von seinem Binsenlager, sah aber nirgende etwas. Und so erging's zum zweiten, und zum dritten Male aber sah er ein holdes Kind am Ufer stehen, das sagte: ,,Du bist treu in deinem Dienst, trag' mich über dieß Wasser!"

Da nahm der liebe Herr Opherus das Kind auf den rechten Arm und seinen Stab in die linke Hand und ging in das Wasser hinein. Da wuchs das Wasser allmählig, als wolle es über die Ufer steigen, das Kind aber auf seinem Arm ward schwerer und schwerer, als wär's von Blei, und das Wasser ward zuletzt so hoch, daß der Opherus meinte, nun müß' er bald ertrinken, und das Kind ward so schwer, daß er's schier nimmer zu tragen vermochte. Da hielt er an und sagte: „O Kind, ich weiß nimmer, soll ich hin oder zurück vor lauter großem Wasser und vor Gefahr, und bist du doch so schwer, als trüg’ ich die ganze Welt auf mir!"

Darauf sprach das Kind mit seiner wundersamen Stimme: ,,Du tragst nicht allein diese Welt, du tragst auch Den, der da ist der Herr des Himmels und der Erde und der König aller Könige, und sieh', ich will dich selbsteigen taufen." Und das Kind tauchte des Opherus Haupt etliche Male unter das Wasser und sprach dazu: „ Ich tauf dich im Namen Gottes des Vaters und Meiner, Gottes des Sohnes und Seiner, Gottes des heiligen Geistes, die da sind Dreierlei und sind doch Eins. Also bist du getauft und kann deine Seele nimmer verloren sein. Und weil du mich getragen hast, deinen Herrn Jesu Christ, dem Alle sollen dienen, nicht daß sie erniedrigt seien, sondern groß und heilig werden, sollst du nimmer Opherus heißen, sondern du sollst heißen Chrstopherus."

Sagte der liebe, heilige Herr Christopherus: ,,O, ist die Rede gut, ist denn das Alles kein Traum?"
Und sagte das süß liebe Jesukind: „Nein! das ist kein Traum, du wirst selig sein in meiner Nähe. Das soll sich dir wohl weisen. Kehr' an's Ufer und steck' deinen dürren Stab in die Erde, und also wie er blüht, also wirst du zum Himmel neu erblühen, wenn dein irdischer Leib abgedorrt ist!“

Darauf verschwand das Kind von seinem Arm, das Wasser aber ward nieder, wie es vordem gewesen war, und der liebe Herr Christopherus ging an das Ufer, steckte seinen dürren Stab in die Erde und betete die ganze Nacht auf dem Antlitz. Und als er am Morgen aufsah, war sein Stab voll grüner Blätter und Blumen. Da war er ganz in Freuden und rief: O Herr, weil das ist geschen, glaub' ich fest und will Andere lehren, daß sie auch glauben!" Dann rief er den Einsiedel herzu, sie knieten selbstzweit nieder und beteten gar herzinniglich, und der Einsiedel bat den Christopherus um seinen Segen.

Den gab er ihm. Als er dann wieder hinsah, war der Stab dürr, wie vorher – und er nahm ihn und zog fort und von dannen und bekehrte viele Menschen bis zu seinem seligen Tode."

Das ist die Sage vom heiligen Christopherus, und wer sie noch nicht wußte, der weiß sie jeßt ganz genau.


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