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Sagen & Geschichten aus München

Münchner Sagen & Geschichten

Der Marienplatz

Die Pest in München

Raff - So lang der alte Peter... (Seite 37)


Achtmal im Ganzen ist München von der Pest heimgesucht worden. Die beiden schlimmsten Pestepidemien waren im 14. und 17. Jahrhundert.

In grausiger Form trat sie auf kurz nach Ludwigs des Bayern Tod im Jahre 1548. Das Unheil begann mit einem heftigen Erdbeben, das den Lauf der Flüsse veränderte und Berge zum Wanken brachte. In Oberbayern — so hieß es — sollten die Mauern von gegen 20 Städten und festen Schlössern eingestürzt sein. Das war im Januar; bald darnach wurde, angeblich durch genuesische Handelsschiffe, die BeulenPest aus dem Morgenlande eingeschleppt. Vier Jahre lang wütete die Seuche, schien zeitweilig erloschen, flackerte stets neuerdings auf. In Bayern war sie besonders heftig, manche Dörfer starben völlig aus; die mannigfachen Pestsagen, an denen unsere Volksüberlieferung so reich ist, schreiben sich von diesem und dem späteren Auftreten des schwarzen Todes her, z. B. das in mannigfaltiger Lesart vorhandene Sprüchlein: „Eßt Kranewitt und Bibernell, so eilt der Tod nit so schnell," das in einem Dorf ein Vöglein vom Baume gesungen, an anderen Orten die Stimme eines unsichtbaren, wohltätigen Wesens gerufen haben soll. Auch das Verbrennen heilsamer Pflanzen, der im Frauen-Dreißigst geweihten Kräuter und der Palmzweige vom Palmsonntag wurde, meist vergeblich,  angewendet. Die wenigen und oft selbst nicht viel wißenden Arzte waren machtlos gegenüber dem großen Sterben. In der Hauptstadt München starb der siebente Teil der Bevölkerung; aus den Toren von Passau wurden an einem Tag 300 Leichen getragen.

In etwas schwächerem Grade und unter anderen Erscheinungen trat eine als Pest bezeichnete Seuche im Jahre 1462 auf. Ein volles Jahr herrschte sie in München, wie auch anderwärts. Die Münchner in ihrer Not beschlossen, die Hilfe des Himmels anzurufen: sie wallfahrteten im Frühherbst 1463 in feierlicher Prozession zu den Heiligtümern auf den Berg Andechs 5000 Personen nahmen „mit großer Andacht, mit weinenden Augen und doch frohlockendem Herzen" an der Wallfahrt teil. Männer und Frauen gingen gesondert, unablässig betend und singend. Bald darnach erlosch die Seuche. Eines ihrer letzten Opfer war Herzog Johann von Bayern, Albrechts IIl. ältester Sohn, der vor der Pest von München nach Harthausen geflüchtet war, wo ihn am 18. November 1463 der Tod ereilte.

Vom Auftreten der Pest im Anfang des 16. Jahrhunderts gab in der ehemaligen Wieskapelle hinter St. Peter eine Votivtafel Kunde; auf dieser Tafel, die dann nach St. Peters Kirche kam, war gemalt, wie die Strafengel Gottes ihre Pestpfeile abschießen und unten die Menschen dahinsterben, bis Gott Vater dem Sterben Einhalt tut. Auch im Jahre 1572 infolge eines großen Notjahres hätte eine Pest geherrscht. Während des dreißigjährigen Krieges erschien die Pest zuerst kurz, aber schreckhaft in München im Jahre 1628. Eine Dienstmagd des kurfürstlichen geheimen Vicekanzlers erkrankte plötzlich und starb rasch. An ihrem Leichnam waren die Spuren der BeulenPest ersichtlich, doch blieb infolge der strengen Vorsichtsmaßregeln, zumal der gewißenhaftesten Absperrung, an der es sonst in jener Zeit meist fehlte, die Ansteckung auf wenige Personen beschränkt.

Furchtbar wie je, hauste die Pest zwei Jahre nach dem Abzug der Schweden in München. Es wurde angenommen, daß die spanischen Truppen, die zur Abwehr gegen Bernhard von Weimar in München gesammelt worden waren, die Seuche eingeschleppt hätten. Der erste Todesfall unter der einheimischen Bevölkerung geschah am 12. August in der Sendlingergasse. Acht Tage darnach kam ein Polizeimandat heraus, dem wieder eine Woche später ein kurfürstliches Mandat folgte. Beide schrieben den Behörden und dem Volke in umfassender Weise ihr Verhalten vor. Jeder Obrigkeit - so heißt es in dem Polizeimandat — „falle, wenn auch die Krankheit zweifellos von Gott zur Strafe für die großen und unaufhörlichen Sünden geschickt sei, doch die Pflicht zu, durch gute Fürsehung und Ordnung den Schaden so viel wie möglich abzuwenden." Die Pest erreichte in München ihren Höhepunkt im November und erlosch gegen Mitte Februar nächsten  Jahres. Desto erschreckender ist die Fülle von Leiden und Ungemach, die sich in dieses halbe Jahr zusammendrängle. Jede Arbeit stockte, es fehlte an Allem. Das Zusammensein innerhalb der Freundschaft, der Familie wurde gescheut; ein Jeder sah auch im Nächststehenden nur den möglichen Todesbringer. Vier Lazarette wurden eilig zur Aufnahme der Kranken hergerichtet; die Tore der Stadt wurden geschlossen, mit Ausnahme des Isar- und Neuhausertores, vor denen je ein Garten mit Notbauten zur Beherbergung der Fremden hergerichtet war. Die Fremden durften natürlich die Stadt nicht betreten; ebensowenig durften die Einwohner zu ihnen hinaus. Alle Briefe wurden geöffnet, tüchtig durchräuchert und dann wieder verschlossen. Das Geld, das im Umlauf war, wurde vor der Berührung in Essig geworfen; der Eintritt in ein verseuchtes Haus, der Verkehr mit angesteckten Personen oder der Gebrauch der ihnen gehörigen Sachen war bei Lebensstrafe verboten. Zur Abschreckung und nötigenfalls auch zu sofortigem Strafvollzug waren Galgen in den Straßen der Stadt errichtet. Kleider und Bettgewand der angesteckten Personen wurden vor den Toren verbrannt. Um die Verbreitung der Seuche zu hindern, wurden die Straßen mit eisernen Ketten gesperrt, ja, die völlig verseuchten Straßen, wie die Eisenmanngasse, die Damenstiftstraße und das Kreuz wurden mit Brettern verrammelt. Die Herzogspitalgasse, obgleich von diesen so nahe gelegen, blieb von der Pest verschont.

Trotz alledem wütete die Pest ungemindert fort. Im Oktober und November wurden wöchentlich 200 und mehr Wohnungen, bisweilen ganze Häuser gesperrt. Bis in unsere Zeit noch war an einem Hause der Kaufingerstraße ein lateinisches „T" zu sehen, was „Tod" bedeutete und daran gemahnte, daß damals sämtliche Inwohner dieses Hauses der Pest erlagen. Ein genaues Aufzeichnen von Namen, Alter und Stand der Gestorbenen war unmöglich. Den Totengräbern mußten, um die nötigen Gruben herzurichten, längere Zeit gegen zwanzig Taglöhner beigegeben werden. Manche nützten die Not aus, indem sie ihr Werk nur gegen hohe Bezahlung taten; doch gab es auch Tapfere und Barmherzige wie den alten Adam Holl, den Pfleger des Jesuitengartens in Haidhausen, der auf seinen Schultern dreißig Tote zu Grabe trug. Jakob Balde, der die Pestzeit 1634 — 35 in München verlebte, hat ihn dafür besungen. Die Leichen wurden gewöhnlich im Totenkarren bei Nacht abgeholt, in die bereiteten Massengrüfte hineingeworfen, wie es eben kam und mit Kalk zugeschüttet. Gegen 940 Leichen barg jede Gruft. Von den Spitälern allein wurden ungefähr 1200 Personen begraben. Nach Angabe des Geschichtsschreibers Adlzreiter hätte München damals die Hälfte seiner Einwohner verloren.

Als Ende 1634 die vor den Schweden nach Salzburg geflüchteten Reliquien des hl. Benno nach München zurückkehrten und bald darnach die Todesfälle sich minderten, atmeten Viele erleichtert auf. Aber so oft die Krankheit erloschen schien, flackerte sie stets von neuem empor; dies währte bis über die Mitte des Jahrhunderts. 1648 und 1649 trat die Pest wieder so gewaltsam auf, daß der Bischof von Freising allgemeine Gebete und Bittgänge anordnete, auch den Dechanten und Klerus von St. Peter eigens ermahnte, „getreulich bei diesen kommenden Gefahren auszuharren". Für die Pfarrei St. Peter ward ein besonderer Priester aufgestellt, der eine völlig abgesonderte Wohnung beziehen mußte und sie nur verlassen durfte, wenn er zu Pestkranken gerufen wurde. Auch die Kirche durfte er nicht betreten. In jener Zeit begannen die regelmäßigen Wallfahrten der Metzgerzunft von St. Peters Kirche aus auf den heiligen Berg Andechs. Andere Bruderschaften und Zünfte pilgerten nach Altötting oder nach Ebersberg, zu dem vorzüglichsten Nothelfer gegen die Pest, dem hl. Sebastian. Auch den Kapellen und Altären, die in München selbst diesem Heiligen und dem hl. Rochus geweiht waren, wandte besondere Andacht sich zu, desgleichen den nahegelegenen Gnadenorten Thalkirchen und Ramersdorf.

Endlich hob der „schwarze Tod" sich von dannen. Endgültig, denn die Seuche, die 1680 nochmals in München auftrat, war den Anzeichen nach wohl nicht Pest, obgleich die allgemeine Angst sie als solche bezeichnete und obwohl sie verderblich genug hauste. Auch dies Übel erlosch 1685. Aber lange, lange lebte in den Gemütern das Entsetzen der Pestzeit fort.

 

Literatur


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Der Marienplatz
Der Marienplatz

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