Warning: Undefined array key "schrift" in /var/www/vhosts/stadtgeschichte-muenchen.de/httpdocs/geschichte/sagen/d_sagen.php on line 6
Sagen & Geschichten aus München

Münchner Sagen & Geschichten

Rings in der Altstadt

Das Sendlinger Tor und das Fausttürmchen

Raff - So lang der alte Peter... (Seite 92)


Auf dem Sendlingertor in seiner ehemaligen Gestalt befand sich ein niedriger Turm, dessen Spitze eine geballte Faust trug. An dies Fausttürmlein, wie es genannt ward, knüpften sich mancherlei Sagen von einem Übeltäter, der hier eingemauert worden sei. Nach Meinung der Einen war es ein ungetreuer Ratsherr, der die Stadt an einen der im 15. Jahrhundert so zahlreichen ritterlichen Stadtfeinde verraten hätte. Nach anderer Lesart war es ein böser Bürgermeister, der, den Herzögen Ernst und Wilhelm feind, ihrem Vetter Ludwig von Jngolstadt Helferdienste gegen sie geleistet und den beiden aus München Abziehenden höhnisch trotzig die Faust nachgeballt hätte. Wie dem auch sei: in der Sage der Einmauerung treffen alle zusammen, ebenso in einer zweiten Überlieferung, die, mit diesem Türmchen verbunden, sich durch Jahrhunderte erhielt.

Wenn nämlich in München, wie das in früheren Zeiten wohl geschehen konnte, einer unschuldig hingerichtet ward, so erglomm in der nächsten Mitternacht das Fausttürmlein in blutrotem Licht. Zugleich tat es drei schwere Schläge an der Haustür des Scharfrichters, der innerhalb der Stadtmauer auf einem freien, einsamen Platz unterm Türmlein wohnte. Wenn der nun die drei Schläge vernahm, so wußte er alsbald Bescheid, kniete nieder und betete laut und andächtig, bis es 1 Uhr schlug; und mit dem Glockenschlag erlosch auch das rote Licht. Am nächsten Morgen aber zeigte der Scharfrichter dem Rat die Sache an, und in ganz München ward inbrünstig gebetet, sowohl für die Seele des schuldlos Hingerichteten, als auch für die Entdeckung des wirklichen Täters. Ein paar mal soll diese in auffälliger Weise erfolgt sein. Der letzte Fall, der deshalb auch lang in der Leute Mund und Gedächtnis blieb, hätte sich folgendermaßen zugetragen:

Von zwei Vettern hatte der eine den anderen um eine reiche Erbschaft gebracht und, nicht zufrieden damit, ihn auch noch verhöhnt, wann er ihn antraf oder wann er an dessen Hause vorbeikam. Den Abend pflegte der Reiche meist bei Wein und Kartenspiel zu verbringen. So hatte er eines Abends wieder getan und zweien seiner Zechgesellen ein ziemliches Geld abgewonnen. Darnach, als er halb trunken heimging, verhielt er sich wieder kurz unter seines Vetters Fenster, höhnte und lachte hinauf; aber bald nachher hörten die Nachbarn ihn laut um Hilfe schreien. Als nun ein paar hinausliefen, fanden sie den Reichen, aus einer schweren Stichwunde blutend, am Boden liegen. Der arme Vetter aber stand bei ihm, und der Verwundete stieß röchelnd Anklagen gegen ihn aus. Der arme Vetter verantwortete sich vor den Hinzueilenden: er hätte das Hilferufen seines Vetters gehört und beim Näherkommen einen Mann von ihm weglaufen sehen, dem er vergeblich ein Stück nachgesprungen sei; da ihm jener entschlüpft, wäre er zurückgekehrt, um seinem Vetter beizustehen. Das aber glaubte niemand. Der Arme ward vor Gericht gebracht und, obwohl man kein Gold bei ihm fand, des Mordes an seinem Vetter, der inzwischen seiner Wunde erlegen war, beschuldigt. Alles Leugnen half ihm nichts; er ward verurteilt und erlitt, auf dem Schafott noch seine Unschuld beteuernd, den Tod.

In der Nacht darauf erglühte das Fausttürmlein in feurigem Licht, und an der Türe des Scharfrichters geschahen die drei Schläge. Der Scharfrichter sprang alsbald aus dem Bette, kniete nieder und betete, bis es 1 Uhr schlug. Er beschloß, in aller Frühe dem Magistrat Anzeige zu tun und wollte sich wieder auf seinen Pfühl legen. Aber da hörte er ein zweites Klopfen und diesmal von Menschenhand. Also tat er die Türe auf und sah draußen einen Mann stehen, der ihn ganz verwildert und verhetzt anschaute.

Der Scharfrichter meinte anfänglich, er sei vor dem roten Licht so erschrocken; der Andere aber Hub zu reden an und bekannte sich als einen der Kumpane, mit denen der Ermordete an seinem letzten Abend gezecht und gespielt hatte. Der Verdruß um das verlorene Geld, und der Wunsch, es wieder zu haben, halten ihn dahingebracht, dem Reichen aufzulauern und ihn niederzustechen. Dann war er vor dem armen Vetter, der zu Hilfe geeilt kam, entsprungen. Und nun — so beschloß er seine Erzählung - fände er nicht Ruhe noch Rast, bis seine Tat gesühnt sei. Vor den Richter geleitet, wiederholte er sein Geständnis, das er durch Vorzeigen des geraubten Goldes bekräftigte. Und anderen Tages schon ward das Recht an Dem vollzogen, für dessen Schuld der arme Vetter in den Tod gegangen war.

 


Denkmal an Gerd Müller