Alte Quellen

Hauptbahnhof


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Quelle Zauner - München in Kunst und Geschichte (132)
Jahr 1914

Hauptbahnhof, am Bahnhofplatz. Noch vor Vollendung der ersten deutschen Eisenbahn mit Dampfbetrieb Nürnberg-Führt (1839) wurden in mehreren Städten „Eisenbahnvereine“ gegründet, so auch in Augsburg und München; die beiden letztem vereinigten sich 1835 in eine „Aktiengesellschaft zur Verbindung beider Städte durch eine Lokomotiv- eisenbahn“ und Paul Denis, der Erbauer der „Ludwigsbahn“ Nürnberg- Fürth, begann unter Beobachtung der staatlichen „Fundamentalbestimmungen für sämtliche Eisenbahnen Bayerns“ nach englischem Muster (und auch teilweise mit englischem Material, z. B. für die Schienen) den Bau; erster Vorstand des Verwaltungsrates der Gesellschaft waren Ritter J. v. Maffei und Baurat Ulrich Himbsel. Am 25. August 1839 war die erste Probefahrt auf dem Marsfeld (hier stand der erste provisorische Bahnhof, ein Bretterbau), die bis Lochhausen ging und mit 60 Personen diesen Ort in 19 Minuten erreichte; am 1. September begann der regelmäßige Betrieb und am 13. September fuhr die königliche Familie bereits nach Olching; 1840 endlich war die Bahn bis Augsburg ausgebaut, und 1844 übernahm der Staat den Betrieb. 1852—54 wurde die Linie München—Starnberg von Privaten gebaut und alsbald vom Staat übernommen; dann folgten die Linien München—Tölz 1857, München—Landshut—Regensburg 1860, München—Ingolstadt 1867, München—Simbach 1871, München—Rosenheim 1871, München—Buchloe 1873. 

Sogleich nach Uebernahme der Augsburgerbahn auf den Staat wurde für einen definitiven Bahnhof der Bauplatz erworben und zwar der ehrwürdige, seit 400 Jahren von den Münchner Armbrustschützen und später Feuerschützen benutzte Schießplatz vor dem Karlstor (weshalb die zum Rahnhof führende Straße heute noch „Schützenstraße“ heißt); hier erbaute Friedrich Bürklein den Hauptbahnhof, 1848—50, dessen Hauptgebäude damals aus der jetzt noch als ..Fahrkartenhalle“ benützten Einsteighalle mit tonnenartigem Dach, aus dem Giebelvorderbau mit je einem anschließenden Seitenpavillon und den an den Langseiten der Halle angebrachten Wartesälen und Bureaus bestand; 1857—60 wurde die Front des Hauptbahnhofs in seiner jetzigen Gestalt (192 m Länge) ausgebaut, indem an beiden Enden größere Gebäude für Bureaus und Beamtenwohnungen gestellt wurden und diese mit dem ursprünglichen Bau durch Säulengänge verbunden wurden. Bürklein suchte an diesem Bahnhofsgebäude, einem Terrakottabau, den romanischen Rundbogenstil mit den Bedürfnissen der neuen Zeit zu versöhnen und die Bestimmung des Gebäudes schon nach außen zu kennzeichnen, wobei ihm die am ,.Bergwerk- und Salinenadministrationsgebäude“ (siehe dortselbst) erworbenen Erfahrungen bezüglich der Terrakottabekleidung sehr zu statten kamen. ,,Unleugbar bildet (dies Gebäude eine damals epochemachende Leistung nicht bloß durch die Kühnheit der Konstruktion seiner Einsteighalle, sondern auch durch die reizvolle Benutzung des Stils wie des Materials zu einem ebenso gefälligen und heitern, als zweckmäßigen Ganzen-; der Erbauer erreichte durch Verkleidung der Mauerflächen mit rötlichen und gelblichen Terrakotten (dünne Vorsatzziegeln nach italienischem Muster) durch maßvolle Verwendung von grauem Sandstein zu den Gewänden. Zieraten, Bögen und Gesimsen sowie von weißem Jurakalkstein zu den Säulen eine prächtige Farbenharmonie. Dieser erste bayerische Bahnhof wurde mit seiner ziegelroten Terrakottaverkleidung und seinen romanischen Formen in der Folge vorbildlich für ungezählte andere Bahnhöfe und gewann dem Architekten das Vertrauen des Königs Max 11. so sehr, daß dieser ihn bei der Ausgestaltung der neuen Maxi- milianstraße, (im Bestreben, einen „neuen Stil“ mit Terrakotta-Architektur zu schaffen, den sogen. „Maximilianstil“) fast ausschließlich heranzog.

Die Fresken oben in der frühem Einsteighalle (jetzt Fahrkartenhalle) sowie in den beiden Einfahrten des Frontbaues stammen von Echter, einem Schüler Wilhelm Kaulbachs; sie stellen dar: an der Hallenwand die Allegorien „der Dampf“ und „die Telegraphie“ zur Versinnbildlichung des Einflußes der Dampfkraft und des Elektromagnetismus auf den Verkehr der Länder und Völker; dazwischen schwebt ein lorbeertragender Genius. Die Friesbilder in der nördlichen Einfahrtstelle zeigen an der Südwand 2 Lastträger, einen Buchhalter, einen Ladenkommis, ferner die Bienenzucht und den Kontordienst; an der Nordwand die Baukunst und das Baugewerbe; in der Mitte der Gruppe reichen sich beide Allegorien die Hände, beschirmt von einem Genius; in der südlichen Einfahrtshalle sind durch zahlreiche Völkertypen und die allegorischen Darstellungen der Völkerverbindung durchs Dampfroß und die Telegraphie einerseits die Vereinigung von Ost und West, andrerseits die Vereinigung von Süd und Nord versinnbildlicht.

1857 begann unter Denis Direktion der Bau des Bahnhofes der Ostbahn-Aktiengesellschaft für die Landshuter Linie, der sich gegen Norden unmittelbar an den Staatsbahnhof anschloß. Gleichzeitig mit dem Bau des Ostbahnhofs 1864 begann durch Bürklein die inzwischen notwendig gewordene Erweiterung des Staatsbahnhofes und deren direkte Schienenverbindung. Nach Verstaatlichung der Ostbahnen 1875 entstand der großzügige Entwurf für das neue, hinter dem ältern angelegte Betriebshauptgebäude nebst einer vierschiffigen Empfangshalle für 16 Geleise, dessen Bausumme 4 1/2 Millionen Mark betrug. Der Zusammenhang mit dem Bürklein’schen Frontbau wurde durch teilweise Adaptierung der alten „Einsteighalle“ als Hauptvestibül erreicht. Das neue Bahnhofgebäude gelangte nach dem Entwurf des kgl. Generaldirektionsrates Jakob Graff in einer kräftigen zeitgemäßen Renaissance von 1876—84 in drei Bauperioden zur Ausführung. Seine überbaute Fläche beträgt 8300 qm, einschließlich der Halle 30000 qm. Die Ansichten sind in Backsteinrohbau mit Haustein-Architektur hergestellt. Die 4 Hallendächer der 150 m langen und 140 m breiten Empfangshalle werden von eleganten eisernen, auf hohen Eisenständern ruhenden Sichelträgern getragen. 1892 wurde die provisorische Halle des Starnberger Bahnhofs angebaut. Der Münchner Hauptbahnhof gehört noch gegenwärtig zu den größten Bahnhöfen der Welt. Er weist einen sehr günstigen Grundriß auf, der für den neuen Frankfurter Bahnhof sowie den im Bau befindlichen Leipziger Bahnhof vorbildlich geworden ist, was um so mehr anzuerkennen ist, als zur Zeit seiner Erbauung keinerlei Vorbilder für einen derartigen Bau existiert haben. Der tägliche Verkehr beträgt im Jahresdurchschnitt 18240 Personen, der sich an den verkehrsreichsten Tagen bis zu 109000 Personen steigert [SB 08,35; Rb; R; BAJ 522].


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{Karl Stankewitz}