Alte Quellen

Justizgebände, Neues


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Quelle Zauner - München in Kunst und Geschichte (154)
Jahr 1914
Straße Luitpoldstraße

Justizgebände, Neues; Luitpoldstraße. Erbaut von Friedrich Thiersch, vollendet 1908. Schon kurze Zeit, nachdem 1897 der Justizpalast (vom gleichen Architekten) vollendet war, ergab das Interesse des Dienstbetriebes die Notwendigkeit eines Ergänzungsbaues, der in möglichster Nähe der Zentrale gedacht war. Wegen der verhältnismäßig geringen Baumittel (1860000 Mk.) mußte von einer Gestaltung in der Formensprache und dem Material des Justizpalastes abgesehen werden und so wurde der Neubau als völlig selbständiges Objekt behandelt, das vergleichende Betrachtungen mit dem Hauptbau, der um 23 m abgerückt ist, von vornherein ausschloß.

Es fiel die Wahl auf eine von der des Palastes vollkommen abweichende, zeitlich frühere Stilart, die etwa der ausklingenden Gotik unserer heimischen Bauweise entspricht und dabei die Vorbedingungen in sich trug, durch lebhafte Umrißbildungen aus den stillosen und toten Baumassen der umliegenden Privatgebäude den Neubau vorteilhaft heraustreten zu lassen. Die jetzt allerdings noch überkräftige Farbenwirkung wird, wenn der Lauf der Zeit und die rußige Atmosphäre das ihrige beigetragen haben werden, das Gesamtbild beider Bauten nur noch heben.

Der Grundriß ist einem Rechteck eingeschrieben, das zwischen den Ecken der Risaliten die Abmessungen von 86 m bezw. 48 m hat. Den Eckrisaliten sind noch vorspringende Erkerbauten vorgelegt. Die beiden Höfe, die durch einen zur Hauptmasse querliegenden Trakt geschieden sind, besitzen geradlinige Umgrenzungen. Die gesamte, 4 Geschoßhöhen umfassende Baumasse gliedert sich in 2 an den Kurzfronten liegende Trakte mit mäßig hoch entwickelten Treppenhaustürmen und an den Kopfenden auf ragenden Giebeln. Diese Trakte sind unter sich mit schmäleren Rücklagen verbunden, die ihrerseits einen in Eisen konstruierten Registraturtrakt einschließen.

Aufbau: Die Höhenabmessungen, welche im Verhältnis zu den Horizontaldimensionen stehen mußten, konnten auch in Rücksicht auf den Nachbarbau nicht zu groß genommen werden. Die ganze Gliederung des Baues besteht in einem durchlaufenden, über den Portalen verkröpften Gurtgesims, bescheidenen Fensterbrüstungsgesimsen und einem einfachen, aus Kragsteinen zusammengesetzten Hauptgesims. Die über letzteres emporragenden Giebeln sind mit übereck gestellten, schwach aus der Fläche vortretenden Diensten geteilt, die über die Zinnenkrönung als Vollkörper hinausreichen. Die durch ein schräg anlautendes Profil zum Ausdruck gebrachte Leitlinie des dahinter anschneidenden Daches vervollständigt den Giebelschmuck. Die gleiche Durchbildung haben die Giebel der Turmhauben erfahren, die ihrerseits auf einem am Turmschaft schwach vortretendenRundbogenfries aufsitzen. Der plastische Schmuck blieb auf das Portal beschränkt, das — aus feinkörnigem Nagelfluh hergestellt — von 2 mit allegorischen Figuren bekrönten, auf Bärenleibern aufgebauten Säulen flankiert wird. Außerdem wurden zur Belebung der Turmflächen je zwei 4 m hohe Rolandfiguren auf Backsteinsockeln angeordnet. Der Hauptschmuck der Fassade besteht in der Farbenbehandlung. Die gesamten Backsteinflächen sind lediglich verfugt, an den Fugen zurückgeschnitten (so daß die Gliederung sichtbar bleibt) und ohne jeden Putzgrund bemalt. Die Behandlung besteht in einfacher Faßmalerei, die den durch die sichtbaren Backsteinfugen gegebenen Flächeneinteilungen folgt. Die verwendeten Motive, die in primitiver Perspektive ausgebildet sind, lehnen sich an vorhandene einheimische und oberitalienische Vorbilder in freier Umgestaltung an und sind nur mit einfachen Schatten- tönen zu plastischer Wirkung gebracht. Das Ganze gibt den Eindruck derber, aber farbenfreudiger Flächenmalerei, bei welcher auf weißem Grund die schwereren Töne, nach oben ausklingend, von stets leichter werdenden Nuancen abgelöst werden.

Auf schwarzem, mit weiß gerändeter Quaderung versehenem Sockel baut sich eine jeweils die Fenster des 1. und 2. Stockwerks zusammenfassende Architektur in roten und gelben Grundtönen, mit dunklen, die obern Fenster flankierenden Säulen auf. Die Fensterreihe des 3. Stockwerkes ist in ihrem obern Teil durch einen grau auf farbigen Gründen gemalten Fries zusammengehalten, während die einzelnen Glieder des Hauptgesimses verschiedenfarbig behandelt sind. Die Erkerbemalung zeigt auf gelbem Grund eine balkonartige Archikturumrahmnng.

Die obern Turmfronten sind mit durchbrochenen Baldachinen, die auf bunten Säulen ruhen, geschmückt, während der untere Teil aus einer großen, überkleideten Nische mit flankierenden Portikus-Architekturen besteht. Unter dem Hauptgesims der Türme ziehen sich graue Friese auf farbigen Gründen hin. Sämtliche Ecken des Gebäudes, mit Ausnahme der Erkerkanten, sind mit dreifarbigen, in Quaderform gestalteten Lisenen versehen; als Fortsetzung der Turmkante läuft diese Gliederung über die Fläche der Fronten bis aufs Gurtgesims herab und läßt dadurch den Turmfuß als selbständiges Bauglied erscheinen. Ueber den Hauptgesimsen sind sämtliche Giebel weiß gehalten und lediglich die aufsteigenden Dienste sowie die Dachungsleitlinien mit Farbe versehen. Die Architektur des Südportals, die beiden Rolandfiguren sowie die Turmwappen sind polychrom behandelt. Wesentlich einfacher als die Straßenfassade sind die Höfe ausgestaltet. Die Flächen derselben sind geputzt und ohne vorherigen Kalkanstrich mit buntfarbigen Freskomalereien versehen. Auch hier ist die Gliederung der Flächen in; ähnlicher Weise wie bei den Hauptfronten durehgeführt, wobei Motive aus der Pflanzen- und Tierwelt verwendet sind. Am Fries lebhaft bewegte Putten in pflanzlicher Umrahmung. Der die beiden Lichthöfe trennende Registraturbau, in Eisenwerk mit Eisenblechverkleidung aufgeführt, ist mit Betonung der Konstruktion und der Nietenreihen bunt bemalt. [Nach der Denkschrift des Architekten Friedrich von Thiersch „Das neue Justizgebäude an der Luitpoldstraße in München“].


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{Karl Stankewitz}