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Münchner Bücher - Türkenstraße - Schlumberger Hella

München Bücher

Türkenstraße

Vorstadt und Hinterhof

Titel Türkenstraße
Untertitel Vorstadt und Hinterhof
Autor:in Schlumberger Hella
Verlag Schmelcher Verlag
Buchart Gebundene Ausgabe
Erscheinung 2003
Seiten 915
ISBN/B3Kat 3927984795
Kategorie Stadtbeschreibung 
Suchbegriff Türkenstraße 
Regierungsbezirk Oberbayern
Straße Türkenstraße 
Zitierhinweis:

Einleitung

Planet Türkenstraße: Teil eines Systems und selber fast ein Universum. Ständig um eine Sonne und nicht zuletzt um sich selber drehend. Ähnlich wie andere Planeten, aber doch einzigartig.

Humus Türkenstraße: der Boden, auf dem etwas gedeiht. Bodenständigkeit, gepaart mit Verrücktheit, die Kunst gebiert. Nordlichter und Südstaatler und was dabei herauskommt. Glashaus Türkenstraße: der südliche Himmel, der Münchner und sein Drang zum Licht. Das Offene: die Türen der Geschäfte, die Straßencafes und der Ton untereinander. Das Verletzliche: von innen "wie von außen kann mit Steinen geworfen werden, kann alles kaputtgehen. Das Glück, das Glas und das Gleichgewicht der Straße. Die Straße als Brille, durch die das Jahrhundert betrachtet wird: Sonnenbrillen, rosa Brillen, Brenngläser, Mikroskope, Kaleidoskope, Brillen für Kurzsichtige, Brillen für Weitsichtige. Die Augen der Menschen hinter der Brille, so persönlich wie ihre Stimme, mit der sie erzählen und die auf Band festgehalten ist. Erlebte und erlittene Geschichte, zum Teil auch verdrängte und umgedichtete Geschichte; die persönliche als Teil der lokalen, regionalen, nationalen und internationalen Geschichte. Oral history. Fast 150 Geschichten m sieben Jahren gesammelt, verdichtet, m Zusammenhänge gebracht. Mit der Frage im Kopf: Welcher Geist herrschte wann in der Türkenstraße? Wer bestimmte ihn und wer litt unter ihm? Von Königstreuen über Rätesympathisanten zu Heil-Hitlers. Von Wirtschaftswunderkindern über 68er Revoluzzer zu coolen Zeitgeistträgern. Der Bürger, ob Kleinbürger oder Großbürger, der Künstler, ob bekannt oder unbekannt, wie hielten sie's mit dem Zusammenleben? Miteinander, nebeneinander, gegeneinander?

Der Mann und die Frau, wie standen sie zu verschiedenen Zeiten zueinander? Die Türkenstraße als Ort emanzipatorischer Aktivitäten: der katholischen Frauen, der radikalen Frauen und derer die mit dem Anspruch auf selbstbestimmtes Leben die Frauenkommune gründeten und bei den Männern »Angstlust« erzeugten.

Magnet Türkenstraße: etwas, das anzieht und abstößt.

An: das Unruhige, Chaotische, Kreative, Nicht-Normale. Ab: das Ordentliche, Eindimensionale, das Antworten hat und keine Fragen mehr zu stellen braucht. Das sich als Ausdruck des »gesunden Volksempfindens« betrachtet und damit auch in der Türkenstraße schon vor 1933 größere Erfolge verbuchen konnte. Das heißt: der Magnet Straße zog auch die Nazis an, aber sie hatten vor, den »gemus loci« zu verändern, weg vom »artfremden« Künstlerischen, vom Chaotischen, Unordentlichen, hin zur Gleichschaltung, zur Marschordnung, zur Kriegs- und Mordmaschinerie.

Nicht von ungefähr begann Heydrich seine Karriere in der Türkenstraße, wohnte der Uni-Pedell Schmied dort, der den Tod der Mitglieder der »Weißen Rose« auf dem Gewissen hat und war Adolf Hitler ständig im Karree unterwegs, wo sich die »Osteria Bavaria« und der »Völkische Beobachter« befanden.

Nicht von ungefähr auch befand sich am südlichen Teil der Straße das Wit-telsbacher Palais, das zur Gestapo-Verhörzentrale geworden war, in der Johann Georg Eiser, der einsame Bürgerbräuattentäter, vernommen worden war und sein Geständnis abgelegt hatte. Eiser, der in der Türkenstraße wohnte und von dem seit 1997 ein Platz kündet, ist der Held, auf den die Straße stolz sein kann.

Mosaik Türkenstraße, melting pot von Völkern, Sitten, Sprachen, ein Schmelztiegel sozialer Schichten und sämtlicher Altersstufen, eine junge Straße, eine freche Straße, eine weise Straße. Wo's die Mischung bringt, ein Selbstbewußtsein schafft, das schon sehr in Richtung Autarkie geht, Künst-lerfreistatt, frei vom Staat...

Wenn man bedenkt, allein wie die Straße zu ihrem Namen gekommen ist, dann hat das schon etwas Märchenhaftes an sich: